Chrysler Voyager

Rückschläge gibt es bei Work&Travel immer wieder. Ob Job oder Reisepläne, es läuft eigentlich nie nach Plan. Im Prinzip gehört das auch zu diesem spontanen Leben dazu, denn daraus entstehen immer wieder neue Ideen. Das, was mir letzte Woche passierte, war dann aber doch sehr ärgerlich.

Da der wesentliche Bestandteil eines Roadtrips logischerweise das Auto ist, überlege ich mir schon seit einiger Zeit, wie Elias und ich zu einem Auto kommen. Unsere erste Wahl war bis vor ein paar Wochen das Mietauto, denn ein Autokauf würde sich für die kurze Zeit nicht rentieren. Während der Arbeit kam mir irgendwann der Gedanke, dass es doch auch theoretisch andere Traveler gibt, die ihre Autos für eine bestimmte Zeit vermieten könnten. Rein aus Interesse postete ich in meine Facebook-Gruppe, ob es jemanden gäbe, der sein Auto verleihen würde. Prompt erhielt ich Antwort von Michelle und Mike, zwei Travelern aus Deutschland, die gerade in Victoria waren und für drei Monate zurück nach Deutschland fliegen würden. Sie besaßen einen Chrysler Plymouth Voyager von 1994. Ich war begeistert. Ein tolles Auto für unseren Trip!

Nachdem wir das Wichtigste ausgetauscht hatten und den Mietpreis festgelegt hatten, buchte ich meine Zugfahrt von Blue River nach Vancouver und von Vancouver mit der Fähre nach Victoria. Ich hatte mir zusätzlich einen Tag frei genommen um zeitlich nicht in Bedrängnis zu geraten. Am Dienstag, den 25.03. fuhr ich abends los. Eine schöne Zugfahrt war das. Zwar konnte man draußen kaum etwas erkennen, die Sitze und die Atmosphäre im Zug waren aber um Längen besser als in einem der Greyhound-Busse. Der nächste Tag begann früh, viel geschlafen hatte ich nicht. So genoss ich den Rest der Fahrt und den Blick auf Vancouver. Mit dem Bus ging es weiter auf die Fähre nach Vancouver Island. Meer! Mit Sonnenbrille ausgestattet suchte ich mir einen Platz direkt am Fenster. 13° Grad Celsius waren quasi Sommer für mich. Die Fahrt war wunderschön. Irgendwie erinnert mich Vancouver Island teilweise an Norwegen. Viel Wald, kleinere Inseln, die vor der Hauptinsel liegen. Sehr idyllisch.

Auf dem Weg nach Vancouver Islands

In Victoria lief ich etwas durch die Stadt, bevor mich Mike mit seinen Arbeitskollegen abholte. Auf dem Weg zu Mike’s Wohnung machten wir noch kurz Halt, um Michelle, Mike’s Freundin, abzuholen. Bei ihnen zu Hause angekommen stand da der Chrysler. Jeder andere hätte dem Auto keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich fühlte mich wie ein Kind, das sein lang ersehntes Geschenk auspacken durfte. Für mich war das Auto mehr als nur ein Auto. Es war Freiheit. Theoretisch hätte ich damit überall hinfahren können. Ein unbeschreiblich tolles Gefühl.

So war auch das Erste, was ich tat: Ins Auto sitzen und ausprobieren, wie das Feeling ist. Mike zeigte mir noch die ein oder andere Sache bevor wir uns auf den Weg zur Versicherung machten, um mich als „Additional Driver“ also als zusätzlichen Fahrer eintragen zu lassen. Nach 15 Minuten war ich um 600$ ärmer, dafür durfte ich das Auto fahren.

Die erste Spritztour führte an eine nicht weit entfernte Küste. Auch wenn das Wetter eher nass-kalt war, der Meergeruch, der Wind, das Auto und vor einem der Pazifik. Ich war happy.

Die Nacht durfte ich auf Mike’s Sofa verbringen bevor es am nächsten Morgen wieder zurück nach Blue River ging. Vor meinem Trip hatte ich noch zwei Mitfahrer organisiert, um die Spritkosten zu teilen. Johannes holte ich in Victoria ab, Josh, mein Supervisor, wartete in Burnaby, einem Vorort von Vancouver. Nachdem beide an Bord waren, ging es los. Das witzige in Kanada ist, dass man von West nach Ost und umgekehrt auf nur einem Highway fährt. Dem Trans Canada Highway. Man fährt auf dieser Autobahn und wenn man keine Ablenkung hat, könnte man nach kurzer Zeit schon einschlafen. Passierte mir aber Gott sei Dank nicht 😉 Vier oder fünf Stunden fuhren wir so, zwischendurch tankten wir und vertraten uns kurz die Beine.

Kurz nach Meritt bzw. 60 Kilometer vor Kamloops passierte dann das, was ich als letztes gebrauchen konnte:

Wir fuhren gerade mal wieder einen der zahlreichen nicht steilen aber lang ansteigenden Berge hinauf, als das Auto plötzlich an Kraft verlor. Da mir so etwas schon einmal mit dem Auto eines Arbeitskollegen passiert war, dachte ich zuerst an das Automatikgetriebe, das bei manch einem Auto hin und wieder Probleme bereitet. Nachdem ich auf den Standstreifen gefahren war und die Motorhaube geöffnet hatte war mir schnell klar, dass es nicht daran lag. Kleine Rauchschwaden stiegen aus dem Luftfilter des Motors. Mein erster Gedanke lässt sich gar nicht in Worte fassen. Es wären jedenfalls keine jugendfreien gewesen. Was tun? Ich rief Mike an, der zuerst an eine Überhitzung dachte. Also warteten wir zehn Minuten ab, bis der Zeiger der Temperaturanzeige wieder auf der Hälfte war und versuchten das Auto zu starten. Klappte auch. Ich gab Gas und mit der Geschwindigkeit stieg auch die Temperatur wieder auf das Maximum. Es half nichts, wir mussten wieder rechts ranfahren und den Abschleppdienst rufen. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es ein teurer Trip werden würde. Nach eineinhalb Stunden kam endlich der Abschleppdienst, lud das Auto auf und düste in Richtung Kamloops. Es war die wohl bedrückendste Autofahrt die ich je erlebt hatte. Keiner sagte etwas und bei mir schwirrten die Dollarzeichen durch den Kopf. In Kamloops angekommen wurde das Auto vor Canadian Tire (eine Kette für Autozubehör und Reparaturen) abgestellt. Natürlich war dort um sieben Uhr abends niemand mehr da. Ich fragte zögerlich was denn der kleine Trip nun kosten würde und erhielt auch prompt die Rechnung: 240$ für’s Abschleppen. Die Zahl schlug ein. Aber was sollte ich machen. Ich gab dem Herrn mein Cash und warf die Autoschlüssel in einem Umschlag in den Nachtbriefkasten.

Glücklicherweise durfte ich die Nacht bei der Freundin meines Supervisors auf der Couch verbringen, denn Blue River war noch 230 Kilometer entfernt und zu dieser Uhrzeit nicht mehr erreichbar. Obwohl ich nichts gegessen hatte, war ich überhaupt nicht hungrig, nein mir war fast schlecht. So bin ich leider. Ich sehe schnell schwarz. Appetit habe ich dann auch nicht mehr.

Am nächsten Morgen wachte ich durch den Anruf der Werkstatt auf. Eine Mitarbeiterin teilte mir mit, dass man jetzt mit der Inspektion beginnen werde. Die Inspektion würde einmalig 120$ kosten. Der nächste Batzen Geld war weg. Mir blieb aber natürlich nichts anderes übrig. Man werde sich in einer Stunde wieder melden und mir mitteilen, was repariert werden müsse. Bisher war ich von der kanadischen Entspannt- und Unpünktlichkeit angetan, weil sie das Freiheitsgefühl verstärkten. Sitzt man aber in einer fremden Wohnung irgendwo in Kanada, 230 Kilometer vom eigenen Bett entfernt und mit dem Gedanken im Kopf ein Auto geschrottet zu haben, das einem noch nicht einmal gehört, so vergeht eine Stunde Warten nur sehr sehr langsam. Aus dieser Stunde wurden dann zwei, bis ich endlich den finalen Bericht zu hören bekam. Um es kurz zu fassen: Eine Reparatur war möglich, würde aber mehr als 3000$ kosten! Das Auto hatte nicht einmal 2000$ in der Anschaffung gekostet. Mike hatte ich irgendwann auch erreicht und auch er war der Meinung, dass sich eine Reparatur nicht lohnen würde.

Ich fuhr also zu Canadian Tire und übergab die Schlüssel. Man sagte mir, man würde sich kostenlos um die Entsorgung des Autos kümmern. Was für eine Bilanz! Ein Tag gefahren und schon ein Auto auf dem Gewissen. Obwohl ich nicht daran Schuld gewesen war, war mir das Ganze natürlich extrem unangenehm und so war ich erfreut und überrascht als mir Mike mitteilte, er würde mir das Geld für die Miete wieder zurückgeben. Durch Zufall konnte ich auch recht einfach die Versicherung kündigen und blieb letztendlich nur auf den Abschlepp- und Inspektionskosten sitzen. Das Geld ist zwar noch bei Mike, wird aber in den kommenden Wochen seinen Weg zu mir finden.

Patrick konnte zwischenzeitlich noch ein Auto organisieren und mich aus Kamloops abholen.

Finanziell gesehen bin ich mit einem blauen Auge davon gekommen, nun habe ich jedoch kein Auto mehr.

Weiter geht die Suche nach einem fahrbaren Untersatz 🙂