Abschied war noch nie mein Ding. Doch wer eine zehnmonatige Reise plant, der kommt nicht darum herum. Am 22. September war Abreisetag und ich war erstaunlicherweise überhaupt nicht so aufgeregt, wie ich es erwartet hätte. Klar, eine gewisse Grundanspannung und Ungewissheit war da, aber nicht wie ich es drei Jahre zuvor bei meinem Auslandsaufenthalt in Frankreich empfunden hatte.

Am Vorabend hatte ich mich noch vom Großteil meiner Verwandt- und Bekanntschaft verabschiedet und war nun startbereit. Nachdem das Gepäck im Auto verstaut war, fuhren wir zunächst zu unserem Wahllokal.  Trotz der Vorfreude wollte ich unbedingt wählen gehen. Gesagt getan, nach zwei Minuten war auch das erledigt. Nun folgte der eher traurige Teil meiner Abreise. Wie schon gesagt, Abschied liegt mir nicht besonders und so ging mir das Warten auf den Zug und der Abschied von meinen Eltern und meinen Geschwistern auch sehr nahe.

Ich war froh als sich nach dem Schließen der Türen und dem letzten Winken langsam die Anspannung löste.

In Freiburg hatte ich noch etwa eine halbe Stunde Zeit bis der Bus von MeinFernbus.de in leuchtend grünen Farben abfuhr. Die Fahrt dauerte knapp vier Stunden und war eigentlich sehr angenehm. Ich unterhielt mich mit einem Mann, der mir erstaunlich offen alles über seinen Job und seine familiäre Situation erzählte. So verging auch diese Zeit recht schnell.

Am Frankfurter Bahnhof traf ich mich zum ersten Mal mit Patrick, den ich ein Dreiviertel Jahr zuvor über meine Facebook Gruppe kennengelernt hatte. Wie schon zuvor online, verstanden wir uns gleich super und machten uns mit unseren zwei Monster-Gepäckstücken (er 16KG, ich 23,5KG) in Richtung Hostel auf.

Julian der Packesel

Nach gefühlten 20 Kilometern kamen wir endlich im Haus der Jugend direkt am Main an. Bereits zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich viel zu viel Gepäck dabei hatte. Nicht eine Unterhose hätte noch in die Reiserucksacktasche gepasst, was logisch gesehen total doof von mir war. Wer reist schon mit randvollem Rucksack zehn Monate durch Kanada! Aber damit musste ich nun klarkommen.

Nachdem wir in einem Steakrestaurant unseren Urinstinkten gefolgt waren, ließen wir den restlichen Abend bei Shisha und Sprite/Bier in einer Bar ausklingen. Ein sehr guter Start wie ich fand.

Am nächsten Morgen ging es weiter in Richtung Frankfurt Airport. Wir verpassten sicherlich fünf mal dieselbe U-Bahn bis wir endlich die richtige Linie gefunden hatten. Der letzte Abend hatte uns die Planung für die Anfahrt zum Flughafen komplett vergessen lassen. Aber gut, wir kamen trotzdem an 🙂

Glücklicherweise hatten wir noch an eine Sache gedacht: Den Online-Checkin. Vor unserem Terminal hatte sich eine ca. 300 Meter lange Schlange gebildet hatte, die wir einfach umgehen konnten. Nach dem Check-in stießen wir auf Sarah und Kevin, ebenfalls Traveller, die denselben Flug gebucht hatten.

Der Flug dauerte insgesamt mehr als zehn Stunden. Die Zeit schien aber quasi stillzustehen, weil wir mit dem Tag flogen. Die Sonne stand also immer auf Mittagszeit, eine sehr coole Erfahrung. Noch cooler war jedoch die Tatsache, dass unsere Route über Grönland führte. Unter uns brach auf einmal die Wolkendecke auf und man sah nichts als Eisberge und endlose Eiswüste.

Über Grönland

Um ca. zwei Uhr deutscher Zeit landeten wir auf dem Vancouver International Airport. Während des ganzen Fluges war ich überhaupt nicht müde. Ich versuchte zwar schon vorab dem Jetlag entgegenzuwirken, aber so richtig klappte es nicht. Die anfängliche Gelassenheit war nach dem Start in Frankfurt schlagartig verflogen. Fragen wie „Klappt alles bei der Einreise?“, „Finde ich mich zurecht?“ oder „Wie geht es nach zwei Wochen weiter?“ gingen mir ständig durch den Kopf. An Abschalten war also kaum zu denken.

Der Flug verging rasend schnell. Leider hatten wir beim Anflug auf Vancouver kein Glück mit dem Wetter. Wolken verhinderten die Sicht auf die Stadt.

Anflug auf Vancouver

Die Einreise verlief problemlos. Mein Grenzofficer war super nett und nach knapp fünf Minuten hatte ich meine Work Permit. Überhaupt war auffallend wie nett die Kanadier waren. Nur als Beispiel: Wir waren in einer Mall in Vancouver Downtown und suchten auf der Übersichtskarte nach einem bestimmten Laden. Plötzlich stand neben uns eine kleine Sicherheitsdame, die uns nett fragte, ob sie uns helfen könnte. Und das erlebten wir nicht nur dort.

Mit schwerer Last machten wir uns mit dem SkyTrain auf in Richtung Hostel. Sarah, Patrick, Kevin und ich bezogen zusammen ein Hostelzimmer. Mittlerweile war es etwa fünf Uhr deutscher Zeit und ich spürte nun immer mehr den Jetlag. Da es in Vancouver erst etwa acht Uhr Abends war hatten noch die meisten Pubs offen. Mein erstes kanadisches Essen, wer hätte das gedacht, war ein Burger mit Büffelfleisch. Schmeckte eigentlich ganz gut, wenn auch nicht so gut wie die Burger, die wir in den kommenden Tagen kennenlernen sollten. Aber dazu später mehr.

Um halb zehn lagen wir alle todmüde in unseren Hostelbetten. Blöderweise war ich so jetlagged, dass ich morgens aufwachte und es immer noch dunkel war. Fünf Uhr war es um genau zu sein und ich wusste nicht, ob die anderen schon wach waren. Also lag ich ohne etwas zu sagen in meinem Bett und wartete darauf, dass sich jemand bewegte. Wie sich herausstellte, waren wir alle wach nur dachten wir alle dasselbe: Lass die anderen schlafen. 😀 Da wir nun alle wach waren und nicht mehr schlafen konnten, zogen wir los und bummelten durch das nahegelegene West End und auf die Burrard Bridge, nahe der English Bay. Dort entstanden ein paar schöne Aufnahmen (siehe Bildergalerie).

Auslaufende Boote auf der English Bay

Nach dem Frühstück hatten wir abgemacht erst einmal die ganzen bürokratischen Sachen wie Social Insurance Number (SIN) beantragen, Bankkonto eröffnen und Handytarif finden zu regeln. Die SIN war schnell beantragt, mit dem Bannkonto war das schon etwas schwieriger. Wir mussten einen Termin mit einem Bankmitarbeiter vereinbaren, der glücklicherweise schon zwei Tage später stattfand. Im Endeffekt war dieser Termin aber auch nicht wirklich schwierig. Wir mussten nur nicken und ein paar Dinge unterschreiben und hatten nach einer halben Stunde unsere Bankkarte in der Hand. Erfahrungen von anderen, bei denen wohl Probleme aufgetreten waren, bestätigten sich nicht.

Am schwierigsten war das Finden eines passenden Handyanbieters. In Kanada ist das Angebot an Handytarifen komplett anders und vieeeel teurer, was auch an der Größe des Landes liegt. Nach mehreren Tagen des Vergleichens entschieden wir uns für den Prepaid Tarif des Anbieters Koodo, der sich für uns (Internetsuchtis) am meisten lohnte.

Wettertechnisch hatten wir die ersten Tage Glück. Vancouver bei Sonne ist einfach wunderschön. Im einen Moment befindet man sich zwischen Hochhäusern und vielen Leuten und im nächsten Moment blickt man über blaues, stilles Wasser und große Grünflächen. Auffallend ist auch die extrem gute Luft. In Städten wie Rom oder auch Paris ist die Luft ja meistens sehr viel dreckiger als auf dem Land. In Vancouver ist das anders. Man atmet immer sehr frische Luft, was ziemlich angenehm ist. Das Leben ist für eine Großstadt auch erstaunlich gelassen. Hektik verspürt man eigentlich nie genauso wenig wie Unsicherheit. Unsicherheit? Wer schon einmal in Rom war, weiß was ich meine: Jeden Moment muss man Angst um seine Wertsachen haben. Auch das ist auffallend. Meine Sicherheitstasche hatte sich zumindest für Vancouver nicht gelohnt 🙂

Besonders gefiel mir in den ersten Tagen Coal Harbour. Der Stadtteil beginnt direkt neben dem Canada Place und verdeutlicht den Kontrast der Stadt: An der Uferpromenade liegen Wasserflugzeuge und schöne Grasflächen laden zum Entspannen ein, direkt dahinter ragen große Wohnblocks aus Glas in die Höhe, die blau getönt und so dem Wasser nachempfunden zu sein scheinen. Bei Sonne ein sehr schöner Ort.

Coal Harbour

Leider war nach zwei Tagen Schluss mit dem guten Wetter. Es regnete wie aus Eimern und viel machen konnten wir nicht. Wir besuchten zwar kurz die Science Days aber eigentlich bestand das erste kanadische Wochenende hauptsächlich aus Herumliegen, Internet und kurz Essen gehen. Was mir zunehmend auffiel: Das Hostel war überfüllt von anderen deutschen Travellern oder Urlaubern. Nicht nur deshalb war mir wichtig bald weiterzureisen, denn sprachlich war das natürlich nicht das Gelbe vom Ei. Andererseits konnte man sich natürlich gut und einfach über jedermanns Geschichte und Erfahrungen austauschen. Von zwei Kanadiern empfohlen besuchten wir am Freitag zum ersten Mal das Restaurant „The Famous Warehouse“ in der Granville Street. Es hieß, dass man dort das günstigste Essen der Stadt bekommen würde. Das stimmte auch: In meinem Leben hatte ich noch nie soooo gute Burger wie dort gegessen. Sie waren so gut und preiswert, dass ich in den nächsten Tagen drei weitere Male dort war. Für jeden anderen Traveller, der das liest ein absolutes Muss!!!

Works Burger @ Famous Warehouse <3

Irgendwann begann ich damit zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte. Mein Traum war es schon länger den Winter über in einem Skigebiet zu arbeiten. Für mich standen zwei Skigebiete/Skiregionen zur Auswahl: Whistler und Banff. Beide haben ihren Reiz. Banff vor allem durch die schöne Umgebung und Whistler durch den Altersdurchschnitt und das Unterhaltungsangebot. Auch Patrick und Kevin hatten Ähnliches vor. Eine Woche nach Ankunft buchten wir die Bustickets: nach Banff. Die Bilder, die Bezahlung und die günstigere Lebenshaltung waren schlussendlich entscheidend für uns. Außerdem finden dort demnächst die sog. Job fairs statt, bei denen die Jobs in Skigebieten vergeben werden.

Heute, ein Tag vor Abreise ist das Wetter immer noch unbeständig und ich bin froh, bald weiterzureisen. Schon jetzt macht es mir Spaß wie viele neue Leute man kennenlernt. Bisher gab es nur wenige Momente, die mich an der Reise zweifeln ließen. Hoffentlich wird das mit dem Job bald was, denn im Moment sinkt der Kontostand nur 😉

Ich hoffe bald auch per Video berichten zu können, da ich mir noch unsicher bin, wie ich das Ganze anstelle.

Soweit für den Moment. Über Facebook erfährt man recht aktuell, was ich gerade so treibe und in der Bildergalerie gibt es auch immer wieder Eindrücke von der Reise.

Bis demnächst!