Ich stehe auf einem Vorsprung und blicke auf den dunkelblauen Crater Lake herunter.

Schon wieder Januar. Wahnsinn. Fast sechs Monate sind seit meiner Rückkehr aus Kanada und den USA vergangen. Wie war der Wiedereinstieg in den Alltag? Was hat sich geändert? Zeit für einen Rückblick.

Irgendwann ist jedes tolle Erlebnis vorbei, das wurde mir beim Schreiben meines letzten Artikels in Kanada besonders bewusst. Damals hatte ich noch drei Tage Vancouver zusammen mit Elias vor mir. Nachdem wir unser Roadtrip-Mietauto in Seattle abgegeben hatten, ging es mit Greyhound zurück nach Vancouver. Es waren sehr schöne letzte Tage mit angenehm warmem Wetter. Was mir nach drei Monaten USA besonders auffiel, war der Unterschied zwischen kanadischer und amerikanischer Lebensweise. In den Monaten davor war mir das nicht so krass aufgefallen, aber mit dem Überschreiten der Grenze herrschte auf einmal wieder eine viel gelassenere und freundlichere Stimmung. Nicht das ich etwas gegen die amerikanische Lebensweise hätte, ganz im Gegenteil. Aber der subjektive Unterschied war deutlich.

Mein Aufenthalt endete wo er begonnen hatte: Im HI Downtown Hostel. Bei so etwas bin ich irgendwie immer sentimental. Es war toll noch einmal die Leute zu sehen, die ich auch schon am ersten Tag meiner Reise getroffen hatte.

Elias und ich ließen es uns noch einmal richtig gut gehen. Keine Mahlzeit wurde im gleichen Restaurant gegessen. Noch einmal in den vollen Genuss von Burger, Bagels & Co. kommen. Das war die Devise. Famous Warehouse mit Works Burger, Chicken wings und Fries… Wie gerne ich da jetzt essen würde 😉

Am Freitag, also ein Tag vor Abreise, kündigte ich mein Bankkonto und besuchte Freunde, bei denen ich meine Snowboardausrüstung gelagert hatte. Später wurde noch in den Clubs entlang der Granville gefeiert. Ein netter Abschluss.

Ich hatte eigentlich erwartet, dass mir das Ende der Reise schwerer fallen würde. Ich hatte von einigen gehört und gelesen, dass sie gar nicht mehr weg wollten. Das Gegenteil war bei mir der Fall. Ich war erfüllt von einer Zufriedenheit, die ich so noch nicht oder vielleicht nicht so bewusst erlebt hatte. Es ist schwer das in Worte zu fassen. Eine Kombination aus den vielen, wahnsinnig tollen Erlebnissen, die ich machen durfte, den neuen Leuten die ich kennen gelernt hatte, die positiven aber auch negativen Erfahrungen und Einflüsse. All das hat mich innerlich verändert. Es fühlte sich an, als ob man die Welt verändern könnte. Ein Trugschluss. Naja sagen wir ein Trugschluss im Bezug auf die Perspektive. Dazu später mehr.

Ich freute mich darauf meine Familie und meine Freunde wieder zu sehen, endlich wieder deftiges deutsches Essen zu essen und Ziele auch mal ohne zwölfstündige Auto- bzw. Busfahrten zu erreichen. Außerdem war ich gespannt darauf was sich verändert hatte. Mein großer Vorsatz war, die guten Dinge aus dem Work&Travel-Alltag in mein Alltagsleben in Deutschland zu integrieren: Offenheit, Freundlichkeit, Spontaneität und Optimismus.

Das Flugzeug landete, die Menschen am Flughafen liefen hektisch umher, die Zollbeamten blickten mich misstrauisch von oben bis unten an. Willkommen zurück in Deutschland. Ich fühlte mich mit meinem kanadischen Dauergrinsen irgendwie fehl am Platze 🙂

Meine Eltern und mein Bruder waren den ganzen Weg aus Freiburg nach Frankfurt gefahren, um mich abzuholen. Es war schön sie alle wieder zu sehen. Ich begutachtete jede Kleinigkeit. Wie die Menschen sich um mich herum verhielten, den Verkehr auf der Autobahn. Und wie eng waren erst unsere Straßen… Irgendwie entdeckte ich alles neu.

Die folgenden Wochen entsprachen so ziemlich am Wenigsten dem, was ich erwartet oder mir erhofft hatte. Ja es war fast  enttäuschend. Zumindest in der Situation. Nichts, absolut gar nichts hatte sich geändert. Das Leben war haargenau so, wie ich es zehn Monate zuvor zurückgelassen hatte. Man war der gleiche Bruder, der gleiche Sohn, der gleiche Freund. Natürlich ist es schön wenn man an den Ort zurückkommt, wo man sich immer zu Hause fühlt, wo man immer willkommen ist. Gleichzeitig hatte ich mich aber verändert. Diese Zufriedenheit von der ich gesprochen, den innerlichen Fortschritt den ich gemacht hatte. All das schien von meinem neuen, alten Alltag in Deutschland zurückgedrängt zu werden. Für Leute, die nicht selbst einmal in einer solchen Situation waren, ist das vermutlich schwer zu verstehen. Natürlich konnte niemand etwas dafür. Aber was genau hatte ich eigentlich erwartet? Dass sich alles verändert und an meine Entwicklung anpassen würde? Sehr naiv, Julian. Dennoch war da diese innerliche Zerrissenheit. Wie zeige ich den anderen, dass ich mich verändert habe, dass ich nicht mehr so denke wie ich es vielleicht die Jahre zuvor gemacht habe? Es schien aussichtslos.

Fernweh stellte sich ein. Ich wollte wieder das selbstständige, unbeschwerte Leben führen. Weg von Wochentagen, geregelten Abläufen und Monotonie.

Erschwerend hinzu kam, dass ich quasi nichts zu tun hatte, außer mich um meinen Umzug nach Lörrach (dort studiere ich) zu kümmern. Langeweile pur. Der Tiefpunkt war erreicht.

Doch dann ging es auf einmal wieder aufwärts.

Ich könnte im Nachhinein gar keinen konkreten Zeitpunkt sagen, aber irgendwann war mir klar, dass ich nicht ewig der schönen Zeit hinterher trauern konnte. Es war mir zwar nicht gelungen meinen Lebensstil weiterzuführen oder die lockere kanadische Stimmung zu verbreiten (Welt verändern und so). Mir wurde aber klar, dass ich für mich selbst etwas ändern konnte.

Wie der Zufall es wollte, lud mich die Kanadische Botschaft in Berlin für ein Wochenende in die Hauptstadt ein. Im September fand dort eine Messe für Schüleraustausch und Work&Travel in Kanada statt. Ich sollte einen Vortrag über meine Zeit in Kanada halten. Es war ein klasse Wochenende, vor allem deshalb, weil eben genau diese lockere Art herrschte, die ich so vermisst hatte. Und genau da wurde mir klar, dass es weder vom Land noch von irgendetwas anderem außer von einem selbst abhängt, wie zufrieden oder eben auch nicht man ist. Kanada macht es einem zwar einfacher, aber möglich ist das in Deutschland auch. Das war mein Fazit des Wochenendes in Berlin. Voller Optimismus und Elan stürzte ich mich danach in mein Praktikum, das anschließend nahtlos in mein duales Studium der Angewandten Informatik überging. Mit vollem Erfolg. Alles klappte wie am Schnürchen. Ich habe mir innerhalb von vier Monaten nicht nur eine neue Programmiersprache sondern auch eine Lebensweise beigebracht, mit der ich zufriedener nicht sein könnte:

Ich wohne in einer WG mitten im Zentrum des Geschehens, kann tun und lassen, was ich möchte, arbeite in einem Betrieb, der mir alle Freiheiten lässt und wohne nahe genug am Wohnort meiner Eltern und Freunde, um am Wochenende ab und zu die Vorzüge des Elternhauses zu genießen und mich mit Freunden zu treffen 😉 Natürlich gehörte dazu eine gehörige Portion Glück aber ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass man seinem Glück mit der richtigen Einstellung auf die Sprünge helfen kann.

Ich  bin unglaublich happy, wie die letzten eineinhalb Jahre verlaufen sind und profitiere jeden Tag und in vielen Situationen davon. Hin und wieder überkommt mich der Drang einfach in ein Flugzeug zu steigen und so viel wie möglich von der Welt zu sehen. Aber auch dafür habe ich schon eine Lösung. Ich werde nach meinem Studium noch einmal für ein Jahr reisen gehen. Dann vermutlich in Richtung Neuseeland. Das Reisefieber wird wohl nie mehr erlöschen.

Auch mit dem Projekt Unter Bären geht es aufwärts. Ich aktualisiere immer wieder Inhalte, füge neue Dinge hinzu und für die Visavergabe 2015 habe ich neue, hoffentlich noch bessere und umfangreichere Videotutorials geplant. Es macht mir unglaubich Spaß und ein bisschen verbindet es mich immer noch mit Kanada.

Achja, bevor ich es vergesse möchte ich auch noch auf zwei andere Dinge hinweisen. Direkt nach meiner Rückkehr erhielt ich das Angebot für die Jugendzeitschrift NewGenerationX einen Artikel über meine Zeit in Kanada zu schreiben. Das habe ich getan und eine Woche vor Weihnachten erhielt ich die gedruckte Ausgabe. Hier ein kleiner Eindruck. Die PDF-Version gibt’s hier.

Nach meiner Rückkehr schrieb ich für die Jugendzeitschrift NewGenerationX einen Artikel über meine Zeit in Kanada. Dies zeigt den Artikel in der gedruckten Ausgabe.

Außerdem ist Simone Zettier von auslandsjob.de an mich herangetreten und hat mit mir ein Interview geführt. Das Interview gibt es im auslandsjob-Magazin.

Ich hoffe ihr hattet einen super Start in 2015 und erlebt oder werdet bald eine mindestens genauso tolle Zeit in Kanada haben, wie ich es hatte!

Schreibt mir gerne, wenn ihr Fragen habt. Über Feedback freue ich mich ganz besonders 😉

Ganz viele Grüße,

Julian