Mike Wiegele Helicopter Skiing

Die zweite und gleichzeitig letzte Woche in Silver Star verging schnell. Ich arbeitete täglich fünf Stunden im Hostel und hatte direkt nachdem der letzte Blogpost veröffentlicht war, meinen Küchenjob beim Mountain Katz Restaurant gekündigt. Außerdem hatte ich ja nun eine neue Motivation: den Housekeeping-Job beim Helikopterskiing Unternehmen Mike Wiegele.

Am Donnerstag vor einer Woche hatte ich dann noch das Glück einmal in Silver Star Snowboarden gehen zu können. Endlich! Es war unglaublich cool. Im wahrsten Sinne des Wortes 😉 Ein solches Panorama, wie man es vom Gipfel des Skigebietes sehen konnte, hatte ich nicht erwartet. Man konnte mit einem Radius von mehr als 180° das Okanagan Valley und seine schneebedeckten Berge überblicken…

Okanagan Valley

Zum ersten Mal konnte ich auch meine neue Snowboardausrüstung testen und Aufnahmen mit meiner GoPro während der Fahrt machen. Das erste Zusammenfassungsvideo aller Aufnahmen, die ich während den zweieinhalb Monaten gemacht habe, ist so weit fertig, leider habe ich im Moment nicht die passende Internetverbindung dazu, um das Video hochzuladen. Im Laufe der kommenden Woche werde ich hoffentlich dann endlich die Breitbandverbindung haben, die ich für das Fertigstellen und das Hochladen des Videos brauche.

Aber erst noch einmal kurz die Vorgeschichte, weshalb ich nun in Blue River, BC bin. Als ich am 2. Oktober in Banff ankam und die Job fair dort besuchte, war dort auch das Helikopterskiing-Unternehmen Mike Wiegele vertreten. Ohne irgendwelche Erwartungen gab ich dort mein Resume (Lebenslauf) ab und erwartete auch eigentlich keine Rückmeldung. Etwa drei Wochen später folgte jedoch genau diese in Form eines kurzen Telefoninterviews mit einer Mitarbeiterin des Unternehmens. Nach einem sehr aufwändigen Reference check (15 Fragen über mich und meine Arbeitsweise/-einstellung, beantwortet durch meinen letzten Arbeitgeber in Deutschland) bekam ich während meines Kurzaufenthaltes in Kelowna die Zusage für den Job als Housekeeper bei Mike Wiegele. Zwei Tage später folgte dann die Zusage für den Küchenjob in Silver Star. Warum ich mich erst für Silver Star entschied? Da ich ein Mensch bin, der Einsamkeit hasst und (nette) Menschen um sich herum braucht, kam mir die Situation in Blue River doch sehr einsam vor. Der Ort liegt zweieinhalb Stunden von der nächsten großen Ortschaft Kamloops entfernt. Also entschied ich mich zunächst für Silver Star. Nach den ersten zwei Wochen in Silver Star wollte ich dort nur noch weg und hatte Glück den anderen Job noch nicht gekündigt zu haben. Am 29. November, ein Tag nachdem die Skisaison in Silver Star gestartet war und ich erstmals in Nordamerika auf meinem Snowboard gestanden hatte, ging es also wieder einmal weiter.

Mit dem Greyhound von Vernon nach Kamloops und von dort weiter nach Blue River. Eines wurde mir bei dieser Fahrt wieder klar. In Nordamerika ist es absolut unüblich mit dem Bus oder mit der Bahn zu fahren. Jeder der es sich leisten kann nimmt das Auto, weil der Sprit im Vergleich zu einem Busticket einfach viel rentabler ist und man zusätzlich auch noch flexibler ist. Aus diesem Grund ist die Kundschaft abgesehen von den vielen Travelern auch eher der Teil der Gesellschaft, der sich weniger leisten kann. So hat man es doch immer wieder mit der ein oder anderen bizarren Situation zu tun. Beim Umstieg in Kamloops fiel mir eine Frau auf, die planlos durch den Bus lief und komische Dinge vor sich her sagte. Beim Ausstieg bemerkte sie nicht, dass ihr Geldbeutel noch immer unter ihrem Sitz lag. Anstatt das viele Geld (ziemlich paradox, wenn man sich ihr Aussehen ansah) einzustecken, tat ich das, was ich sowieso getan hätte. Ich gab ihr den Geldbeutel zurück. Und siehe da: Ich wurde von ihr fast eine Minute lang herzlichst gedrückt. 😀 Für diesen Tag hatte ich meine gute Tat vollbracht.

Leider hatte ich dann aber Pech, denn die kanadische Pünktlichkeit zeigte sich einmal mehr bei der Fahrt von Kamloops nach Blue River: geschlagene 60 Minuten hatte der Bus Verspätung. Da soll sich noch mal jemand über die Deutsche Bahn beschweren!

Um halb vier Uhr morgens kam ich mitten im Nirgendwo an und wurde netterweise von Marc, dem Night Auditor bei Mike Wiegele abgeholt. Nur drei Minuten später war ich schon in meiner Wohnung. Zu diesem Haus gibt es eine kleine Vorgeschichte: Früher war Blue River Standort einer Polizeischule und hatte unter anderem auch ein Gefängnis. Genau in dieses Gebäude, Jailhouse wird es hier genannt, zog ich nun ein… Das Gebäude kann zwölf Personen beherbergen, hat eine Küche, eineinhalb Wohnzimmer und wirkt eigentlich gar nicht mehr wie ein Gefängnis. Anders ist das in einigen Räumen. Die Türen besitzen noch die charakteristischen Guckklappen durch die die Wärter früher nach dem Insassen schauen konnten. Die Wände innen sind aus weißem Backstein. Mit Bett und Einrichtung fühlt man sich aber doch ziemlich wohl.

Marc brachte mich also zum Haus und, schloss mein Zimmer auf und tada, ich machte innerlich Luftsprünge als ich mein Zimmer sah. Ein geräumiges Zimmer mit großen Fenstern, einem Kleiderregal einem kleinen Schränkchen und einem King Size Bett (etwa die Größe eines Ehebetts) erwarteten mich. Mit einem Schlag war mir egal, dass es schon vier Uhr morgens war. Ich musste einfach meine Sachen auspacken und mich einrichten. Nach zweieinhalb Monaten Reise freut man sich tierisch endlich seinen ganzen Koffer komplett auspacken zu können und zu wissen, dass man ihn so schnell nicht wieder einpacken muss 🙂
Nach einer Stunde war alles verräumt und ich ziemlich fertig! Also ab ins Bett.

Am nächsten Mittag lernte ich dann meine Roommates kennen. Sechs Deutsche, ein Österreicher und ein Spanier. Mittlerweile ist auch eine Kanadierin dazugekommen. Eine wirklich gute Kombination wie ich finde, wenn auch sprachlich etwas einseitig 😉 Macht aber nichts, denn Spaß ist für mich vorrangig.

Am ersten Advent, also einen Tag später kam ich dann auch früher als erwartet in den Genuss Snowboarden zu gehen. Chris, Mario und ich fuhren mit dem Auto nach Jasper, wo wir als Mitarbeiter von Mike Wiegele kostenlos fahren dürfen. Wettertechnisch nicht so gut, war es schlussendlich doch ein super Start. Noch immer von der langen Busfahrt übermüdet fiel ich abends wie ein Stein in mein groooßes Bett. Das war auch nötig, denn am nächsten Tag begann meine fünfmonatige Arbeitszeit bei Mike Wiegele.

Um genau zu verstehen, was in der ersten Woche so ablief muss ich kurz etwas zu Mike Wiegele Helikopter Skiing erzählen.

Das Unternehmen ist jetzt 42 Jahre alt und wurde von dem Österreicher Mike Wiegele gegründet, der bis heute Vorsitzender und Besitzer ist und auch weiterhin als Guide agiert – mit Mitte 70 wohl bemerkt! Besucht man die Website des Resorts wird einem schnell klar, dass man hier nur Urlaub machen kann, wenn man das nötige Kleingeld beisammen hat. Nur als Beispiel: Eine Woche für zehn Personen mit Privathelikopter und Lodge kostet 175.000$ CAD. Diese Exklusivität wirkt sich aber keineswegs negativ auf das Resort aus. Im Gegenteil: die familiäre und freundliche Atmosphäre ist fester Bestandteil der Firmenideologie. Als Mitarbeiter wird einem das spätestens beim Training klar. In den vergangenen Jahren waren hier schon zahlreiche international bekannte Persönlichkeiten, die hier ihren Skiurlaub der anderen Art verbrachten. Aus rechtlichen Gründen darf ich leider nicht erzählen, um wen es sich dabei handelt. Als ich das erfuhr war ich doch beeindruckt. Mir war durchaus bewusst, dass hier keine armen Leute hinkamen, mit so hohem Besuch hatte ich dann aber doch nicht gerechnet. So stehen die Chancen auf ein zufälliges Zusammentreffen mit einem Promi diese Saison also nicht allzu schlecht 😉

Highway 5, Blue River, BC

Die Hälfte der Einwohner Blue Rivers arbeiten eigentlich bei Mike Wiegele und auch das Resort macht einen großen Teil des Dorfes aus. Das Resort besteht aus etwa einem dutzend Chalets, sowohl in „deluxe“ als auch in „luxury“ Ausführung, die mit ihrer rustikalen Holzbauweise ziemlich an ein schweizer/österreichisches Skidorf erinnern. Jedes Chalet besitzt einen eigenen Namen. Ich weiß nicht wer sich die Namen ausgedacht hat aber einige Namen lösen doch hin und wieder einen Lacher in mir aus. Beispielsweise wird eines der ältesten Häuser „O.F.“ (Olf fart) genannt, was so viel bedeutet wie alter Furz 😉 Neben den Unterkünften für die Gäste stehen außerdem noch ein Sportshop, ein größes Eingangsgebäude, sowie ein weiteres Gebäude mit Restaurant, Boutique, Fitnessstudio und Spielraum zur Verfügung. Natürlich alles in luxuriöser Ausführung. Ach ja und noch das Housekeeping Gebäude mit Waschküche und Lager, in dem ich immer arbeite.

Sport Shop @ Mike Wiegele

Wie sich herausstellte sollten die ersten vier Tage „Arbeit“ aus Trainings verschiedener Art bestehen. In mehreren „Meetings“ mussten wir Verträge unterzeichnen, wurden über die sog. Social Media Policy aufgeklärt, die es uns verbietet, Dinge oder Fotos über und von Gästen zu posten sowie ein Gefahrentraining zum korrekten Umgang mit Chemikalien. Nach dem dritten Tag vergingen die Trainings viel zu langsam. Man hatte das Gefühl alles schon einmal gehört zu haben und versuchte nicht einzunicken 😉 Am Freitag waren wir fertig trainiert und alle Mitarbeiter trafen sich zum Staff meeting. Es fanden diverse Spiele statt, Mike Wiegele und seine Tochter Michelle hielten kurze Reden und mittags gab es kostenloses Essen im Staff Restaurant. Dieses Restaurant ist übrigens der Hammer. Als Mitarbeiter kann man dort zu sehr fairen Preisen Frühstück-, Mittag- und Abendessen. Jedes Mal wenn ich dort hingehe, und das ist fast jeden Tag der Fall, bin ich erstaunt, wie gut das Essen ist. Ich habe mittlerweile beschlossen hauptsächlich dort essen zu gehen und so gut wie gar nicht mehr selbst zu kochen. Das Preis- und Aufwandsverhältnis ist einfach viel zu gut 😀 Außerdem kann ich nicht im Ansatz so gut kochen…

Der Tag wurde abends zu einem der Besten meiner bisherigen Reise. Alle Mitarbeiter wurden zum jährlichen „Annual Staff Meal“ in das Lodge-Restaurant eingeladen. Es gab eine riesige Auswahl an Essen, verteilt auf drei Gänge. Ich denke wer das folgende Bild sieht, dem brauche ich nicht erklären, wie lecker es war.

Staff dinner 2013, Mike Wiegele Helicopter Skiing

Happy! :)

In der ersten Woche zeigte sich der Winter von seiner eiskalten Seite. -35 Grad war die niedrigste Temperatur, die ich jemals erlebt hatte. Es war wahnsinnig. Fünf Minuten draußen und der Kragen meiner Jacke war durch meinen Atem eingefroren. Der erste Samstag, gleichzeitig erster Arbeitstag als Housekeeper in Blue River war dann auch noch der erste Check-in-Tag, die ersten Gäste kamen also an und es musste alles vorbereitet werden. Als Housekeeper muss man von einem Chalet zum anderen kommen, wofür uns drei Golf Karts zur Verfügung stehen. Bei -35 Grad funktionierte letztendlich nur eines davon und dieses zu benutzen war eine sehr, sehr kalte Angelegenheit. Bei wunderschöner Sonne hatte ich so manchmal das Gefühl nur noch aus einem Torso zu bestehen. Meine Ohren, meine Arme und Beine waren taub 🙂

Als Housekeeper habe ich grundsätzlich drei Aufgabenbereiche: Check-out, Housekeeping und Sheet Change, was so viel bedeutet wie ein Chalet komplett putzen und herrichten (Check-Out), Betten machen, Kleider zusammenlegen und allgemein für Ordnung sorgen (Housekeeping) und jeden Dienstag die Bettbezüge wechseln (Sheet Change). Am Anfang etwas langsam und unsicher, werde ich nun immer besser und es zeigen sich schon erste Prioritäten. So bin ich mittlerweile mit einer anderen Housekeeperin zusammen zum Bettbezieher-Profi geworden.

Auch wenn Housekeeping auf den ersten Blick nicht der beste Job sein mag, macht mir die Arbeit doch irgendwo Spaß. Die Zeit vergeht ziemlich schnell, man arbeitet immer in verschiedenen Räumlichkeiten und das Beste: Man lernt die Gäste auf eine Art und Weise kennen, die dem ein oder anderen nicht gefallen dürfte. Es ist eigentlich der perfekt Ort für den Winter. Man kann nicht viel Geld ausgeben, es gibt nur einen kleinen und teuren Tante-Emma-Laden, man lebt in einer kuscheligen, verschneiten Umgebung und man verdient ausreichend Geld um im nächsten Jahr wieder auf Reisen gehen zu können.

Housekeeping Selfie

Mein Plan für die Zeit nach Mike Wiegele sieht übrigens folgendermaßen aus: Mein Kumpel Elias reist im April/Mai nach Vancouver, wir treffen uns, kaufen einen Van und fahren für eineinhalb bis zwei Monate die West- und eventuell auch noch die Ostküste Kanadas und der USA entlang. Zu den Hauptzielen gehören die Nationalparks Yellowstone, Yosemite, der Grand Canyon sowie diverse Städte wie San Francisco, Las Vegas und Los Angeles. Dieser Trip motiviert mich übrigens auch jeden Tag zur Arbeit zu gehen 😉

Als Letztes möchte ich noch einmal kurz auf ein Thema eingehen, das mich selbst aber vermutlich auch einige von Euch stört. Wie immer wieder bemerkbar ist, sind die Abstände zwischen den einzelnen Blogs teils mehr als zwei Wochen groß. Ich würde gerne in kürzeren Abständen berichten nur bin ich auch der Meinung, dass ein Blog auch eine Meldung wert sein muss und ich nicht jede noch so kleine Sache berichte. Vermutlich werden die Blogs in den nächsten Monaten noch rarer, die Videos dafür häufiger (Helikopterboarden, Snowcatboarden, Jasper, Cross Country Skiing, Schneeschuhwanderungen…), weil hier in Blue River einfach zu wenig passiert 🙂 Ich würde mich trotzdem freuen, wenn weiterhin so viele Leute mein Blog besuchen, wie es aktuell der Fall ist. Ich bin wirklich stolz!

Ich wünsche Euch weiterhin eine schöne und besinnliche Weihnachtszeit und für den Fall der Fälle auch einen guten Start in 2014.

Bis demnächst.