Wasser auf Fels

Die Reise geht weiter. Endlich.

Bis kurz nach meinem kleinen Auto-Missgeschick Ende März war ich mir nicht so ganz im Klaren darüber, was ich nach dem Ende der Saison bei Mike Wiegele tun sollte. Der Hawaii-Trip beginnt erst am 8. Mai und so verblieben drei Wochen, die ich irgendwie sinnvoll füllen wollte. Erst war da natürlich die Möglichkeit weiter zu arbeiten, gleichzeitig hatte ich aber keine Lust den Frühlingsputz zu erledigen, während der Großteil der Mitarbeiter bereits weg war. So machte ich mich auf die Suche nach anderen Möglichkeiten. Diese Entscheidung war gut. Nachdem die letzten Gäste abgereist waren, arbeitete ich noch eine Woche bis zum vergangenen Donnerstag. Blue River war wie ausgestorben. Als Quasi-BlueRiveraner ist man einiges gewöhnt aber als sich immer mehr Kollegen und Freunde (Patrick reiste Dienstag vor mir ab) auf den Weg machten, wurde es unglaublich ruhig, ja fast schon einsam. Daran konnten auch das rasante Schmelzen des Schnees und der Beginn des Frühlings nicht wirklich etwas ändern. So fieberte ich mehr und mehr meiner Abreise am Montag entgegen.

Vancouver Island war mein Favorit. Vor zweieinhalb Wochen war ich kurz in Victoria gewesen und war schon dort von der Fährfahrt und auch der Landschaft begeistert. Über HelpX.net, eine Seite für Reisende, die für Arbeit auf Farmen oder Ähnliches ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und im Gegenzug Unterkunft und Verpflegung erhalten, fand ich eine Anzeige eines Kanadiers, der Hilfe bei der Fertigstellung eines Hauses benötigte. Das Haus befindet sich direkt am Ufer des Pazifiks in Ucluelet (man spricht es Ju-klu-let aus), einem kleinen Ort, der nahe Tofino liegt und bekannt für seine schöne Natur, Wind und wilde Tiere ist. Der perfekte Ort für mich. Ein paar Emails und Telefonate später hatte ich den „Job“. Bis zum 1. Mai werde ich bei Chris und seinen Kollegen bleiben. Im Anschluss werde ich noch für vier Tage in Tofino bleiben und von dort aus ein paar Wandertrips starten, ein bisschen Surfen und eine Whale Watching Tour machen.

Ankunft und der erste Tag HelpX

Nachdem ich zusammen mit Emily (mit ihr reise ich auch nach Hawaii) und Jordan (ein Ski-Guide bei Mike Wiegele) am Montagmorgen Blue River vorerst für immer verlassen hatte, fuhren wir sechs Stunden nach Vancouver. Mit jeder Stunde wurde die Landschaft um mich herum grüner. Das Beste seit langem: Wiesen und Wälder dufteten wieder! Der kalte Winter in den Cariboo- und Monasheemountains hatte jegliche Geruchssinne deaktiviert, abgesehen vielleicht von der ein oder anderen Bekanntschaft mit Toiletten oder Mitarbeiterwohnungen 😉

Montagnachmittag stiefelte ich mal wieder schwer beladen durch das hektische Vancouver Feierabendchaos. So viel Lärm! Menschenstimmen überall. Ich war gestresst aber irgendwie tat es auch gut mal wieder in der Zivilisation zu sein.

In Vancouver blieb ich nur eine Nacht. Meine Anlaufstelle war das HI Downtown wie auch schon zu Beginn meiner Reise. Der Grund für meinen Zwischenstopp: Thalina, die ich am Anfang getroffen hatte und ihre Zimmerkollegen hatten sich bereit erklärt, mein Snowboard für den Rest meiner Reisezeit aufzunehmen. Eine sehr große Erleichterung. Danke auch hier noch einmal 🙂

Den Abend verbrachten wir zusammen, wer hätte das gedacht, im Famous Warehouse auf der Granville Street. Bei Burger und etwas zu lauter Musik redeten wir über Reisepläne, Studium und vieles mehr.

Der nächste Tag begann früh. 5:40 Uhr klingelte mein Wecker. Puh. Die Dusche leistete aber ganze Arbeit und motivierte mich mit meinem Rucksack und Handy bewaffnet auf die Suche nach der richtigen Bushaltestelle zu gehen. Der Bus war schnell gefunden und bald war ich auf dem Weg in Richtung Horseshoe Bay, dem Fährhafen in Nordvancouver. Wer die Möglichkeit hat sollte sich diese Fahrt nicht entgehen lassen. Man hat einen wunderschönen Blick auf der Skyline Vancouvers vor der geschätzte hundert Frachtschiffe vor Anker liegen. Mit der aufgehenden Sonne ein wunderschöner Anblick, den ich leider nicht mit meiner Kamera einfangen konnte. Es sollte nicht die letzte schöne Busfahrt des Tages werden. Mit der Fähre ging es nach Vancouver Island. Gierig aß ich das etwas überteuerte aber notwendige Frühstück auf der Fähre und genoss den Anblick der in Sonne getauchten Ufer des Festlandes. Wie auch nach Victoria war die Fährfahrt nach Nanaimo wunderschön.

Horseshoe Bay Fährfahrt nach Nanaimo Bay vor Nanaimo

Der letzte Teil meiner zweitägigen Reise von Blue River nach Ucluelet dauerte drei Stunden. Mit dem Bus von Ost nach West bzw. von Nanaimo nach Ucluelet. Einer der schönsten Busfahrten, die ich jemals erlebt habe. Das lag vermutlich auch an den Wetterverhältnissen. Am Morgen hatte es wohl geregnet, denn der Wald triefte nur so vor Feuchtigkeit. Die einfallenden Sonnenstrahlen ließen die urwaldähnlichen Sträucher, Moose und Bäume grün erglänzen.

Je weiter man in Richtung Westküste fuhr, desto mehr veränderte sich die Umgebung. Mal fuhr der Bus entlang einer tiefen Schlucht, mal entlang eines Sees ein anderes Mal wiederum durch dichten Wald. Ich kam aus dem Staunen kaum heraus. Wieder einmal erinnerte mich die Natur an Norwegen, wo ich 2011 eine Radtour gemacht hatte. Genau diese Erlebnisse sind es, die meine Motivation zum Reisen ausmachen.

On the way to Ucluelet

Angekommen in Ucluelet wurde mir sofort klar, dass dieser Ort eigentlich genau gleich war, wie Blue River nur eben nicht verschneit sondern direkt am Meer. Kleine Häuser, ein Hafen, Wald ohne Ende und ein ständiger Wind. Bei Murray’s Grocery Store musste ich aussteigen. Chris wartete schon auf mich. Ein cooler Typ, 42 und ein Kanadier durch und durch. Ob er hier wohne, war eine meiner ersten Fragen. Nein, das Haus an dem er arbeite sei eigentlich gar nicht seins. Sein Job wäre nur, Häuser von wohlhabenden Leuten zu renovieren und gleichzeitig darin zu wohnen. Und tatsächlich. Als wir ankamen stand da ein Haus mit einer Lage, von dem jeder Fischer nur hätte träumen können. Groß, eigener Strand und Bootsanleger. Wert nach der Renovierung: 1,5 Millionen Dollar.

Das Haus in dem ich arbeite Bootssteg mit Blick auf die Bucht vor Ucluelet Morgens nach dem Aufstehen. Blick auf die Bucht vor Ucluelet.

Seit zehn Monaten arbeitet er zusammen mit immer wieder wechselnden Leuten an dem Haus. Mit mir arbeiten hier noch zwei andere Deutsche und ein Kanadier. Meine erste Aufgabe bestand darin Farbflecken mit Reiniger aus dem Teppichboden zu entfernen. Eine „Futselarbeit“ (Langwierig und detaillierte Arbeit erfordernd) wie man bei uns im Süden sagen würde. Es dauerte so lange, dass ich erst heute damit fertig wurde. Außerdem montierte ich noch ein Waschbeckenschrank. Nach dem ersten Tag war ich gewissermaßen demotiviert, keine Ahnung weshalb. Vielleicht, weil es nicht die Arbeit war, die ich die letzten Monate getan hatte, vielleicht auch, weil ich von Natur aus nicht der Praktiker bin. Der nächste Tag begann aber um einiges besser. Nachdem der Teppich frei von Wandfarbe war beteiligte ich mich an der Konzeption und Umsetzung der Gartentreppe. Dazu mussten wir zu dritt Steinplatten tragen, vermessen, zeichnen und mit der diamantbeschichteten Steinsäge die Platten zuschneiden. Das machte Spaß! Zum Glück spielte das Wetter den Großteil des Tages mit. Das ist hier in Ucluelet nämlich ganz schön unbeständig. Innerhalb von Minuten ziehen Schauer auf und es regnet wie aus Eimern. Ein paar Momente später scheint dann wieder die Sonne.

Wasser auf Fels Der Herr der Wellen Gischtschaum DIe Fluten nähern sich...

Letzten Freitag war das bisherige Highlight der Woche: Sonnenuntergang an der Küste Ucluelet’s. Hier, am westlichsten Punkt Kanada’s blickt man auf die größte Wassermenge zwischen zwei Kontinenten, der Pazifische Ozean. Irgendwo, tausende Kilometer entfernt liegt Japan. Ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl mit den Wellen und der grellen, warmen Sonne.

Wellen krachen auf die Felsen Sonne und Meer Sunset Ucluelet Irgendwo da hinten ist Japan

Eine Woche werde ich hier bleiben, bevor es weiter ins 40 Kilometer entfernte Tofino geht. Und in zwei Wochen sitze ich schon in Hawaii.

Endlich werde ich mich auch wieder häufiger mit dem Bloggen beschäftigen können, was die letzten Monate leider etwas zu kurz gekommen ist. Aktuell arbeite ich an einem Hawaii-Spezial-Artikel, um anderen Travellern meine Pläne und die Inseln an sich etwas näher zu bringen bzw. schmackhaft zu machen.

Ich freue mich auf die letzten zweieinhalb Monate.

Bis demnächst.